+++Kommentar zur eingeschränkten Beschlussfassung im Kreistag.+++

Durch Umlaufverfahren und Eilentscheidungsrecht werden unbequeme Diskussionen ausgeschlossen und auch Taschenspielertricks sind möglich.

Die Corona-Krise friert das gesellschaftliche Leben ein und auch das parlamentarische Tagesgeschäft leidet darunter. Die Kreistagssitzung am 25.03.20 wurde abgesagt.

+++Kreistagssitzung am 25.03.20 wurde abgesagt.+++

Zunächst steht die Frage, ob es gerechtfertigt war, die Kreistagssitzung am 25.03.2020 ausfallen zu lassen. Es gibt gute Gründe, dass der Kreistag hätte tagen können, unter Einhaltung der aktuellen Corona-Schutzbestimmungen. Der Tagungsort Mammut-Halle ist groß genug, um Abstandsregelungen von 2 m zwischen Personen einhalten zu können, auch der reduzierte Zugang der Öffentlichkeit wäre möglich gewesen. Der Landtag von Sachsen-Anhalt hat es einen Tag später am 26.03.2020 vorgemacht.

Warum also erfolgte die Absage der Kreistagssitzung? Die Absage der Kreistagssitzung am 25.03.2020 erfolgte im Wesentlichen deshalb, um unangenehme Diskussionen aus dem Wege zu gehen.

+++Entscheidungen Kreistag nur über Umlaufverfahren oder Eilentscheidungsrecht der Landrätin möglich.+++

Um das zu verstehen, muss der Leser wissen, dass gegenwärtig Entscheidungen des Kreistages nur noch über das Umlaufverfahren oder das Eilentscheidungsrecht der Landrätin möglich sind. Das Umlaufverfahren ist ein „Vereinfachtes schriftliche Verfahren“ gemäß Runderlass des Ministeriums für Inneres und Sport, des Landes Sachsen-Anhalt vom 23.03.2020 und das Eilentscheidungsrecht der Landrätin ist gegeben durch die Landkreisordnung für das Land Sachsen-Anhalt vom 12.08.2009.

+++Zinserträge sollen in den allgemeinen Haushalt fließen.+++

Die Landrätin hat für die abgesetzte Kreistagssitzung am 25.03.2020 beide Verfahren angewandt, so auch das Umlaufverfahren über die Verwendung der Zinserträge aus dem Zukunftsfonds. Ziel der Vorlage war, darüber zu entscheiden, dass die nicht unerheblichen Zinserträge von rund einer halben Million Euro ab dem 2. Halbjahr 2019 rückwirkend und ab 2020 regulär in den „großen Topf“, dem allgemeinen Kreishaushalt einfließen sollen. Das bedeutet, dass diese Mittel nicht mehr als Sonderzuweisungen an Jugendeinrichtungen und Kindertagesstätten, für Sportförderung und Bildung zur Verfügung stehen.

+++Entscheidungsoption „Ja“-„Nein“-„Enthaltung“.+++

Die Kreistagsmitgliedern sollen darüber entscheiden und es wird die Möglichkeit eingeräumt, zwischen drei Optionen zu entscheiden, „stimme ich zu“, „stimme ich nicht zu“ und „enthalte ich mich“. Die AfD-Fraktion im Kreistag hat der Beschlussvorlage im Umlaufverfahren widersprochen, weil das Thema so wichtig ist, dass es eigentlich im Kreistag hätte behandelt werden müssen, denn nur dort ist die Möglichkeit einer Debatte über Pros und Cons gegeben. Die Beschlussvorlage hätte ohne weiteres auf einen späteren Zeitpunkt nach der Corona-Krise verschoben werden können.

+++Taschenspielertrick ist möglich.+++

Darüber hinaus wurde bei der Abfrage im Umlaufverfahren die Empfehlung des Finanzausschusses gecancelt. Der hatte empfohlen, die Verwendung der Zinsbeiträge nur für Jahr befristet dem allgemeinen Kreishaushalt zuzuführen und danach soll die Verwendung der Zinserträge wieder über den parlamentarischen Weg verteilt werden. Diese Empfehlung wurde gecancelt und in eine zeitlich unbefristete Verwendung umgewandelt. Was heißt das? Die Zinserträge aus dem Zukunftsfonds von rund einer halben Million Euro fließen nicht mehr in einzelne Sozialprojekte, sondern dauerhaft in den allgemeinen Kreishaushalt. Und der ist – durch seine chronische Unterversorgung – so hungrig wie noch nie. Das betrachtet die AfD-Fraktion als einen echten Taschenspielertrick.

+++Eilentscheidungsrecht der Landrätin schließt kritische Debatte aus.+++

Betroffen ist aber auch das Eilentscheidungsrecht der Landrätin, das bei richtiger Verwendung durchaus Sinn macht, aber bei fehlerhafter Anwendung den Nachfragebedarf erhöht und eine allgemeine Intransparenz vergrößert.

Ein Beispiel ist die Vorlage zur Förderung der Schulsozialarbeit, die im Eilverfahren durch die Landrätin entschieden wurde. Mit der Eilentscheidung der Landrätin zur Förderung der Sozialarbeit werden wichtige Gegenargumente zur ideologischen Ausrichtung aus dem Wege gegangen und ohne Debatte zur Entscheidung gebracht.

+++Standardverfahren der Demokratie wieder herstellen.+++

Das Umlaufverfahren und das Eilentscheidungsrecht der Landrätin sind nicht die Standardverfahren in einer Demokratie. Deshalb wäre eine peinlich genaue Wahl unter den Bedingungen eingeschränkter parlamentarischer Rechte besonders wichtig gewesen. Vor dem Hintergrund der abgesetzten Kreistagssitzung am 25.03.2020 bleiben die Zweifel eines sorgsamen Umgangs durch die Landrätin und die Kreisverwaltung bestehen. Um so dringender wird es, zu den Standardverfahren der Demokratie wieder zurückzukehren.

Hans-Joachim Klanert, AfD-Fraktionsvorsitzender im Kreistag MSH

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert