+++Sangerhausen im Wandel der Zeit. Teil 2

+++Sangerhausen im Wandel der Zeit. 1945 bis 2050. Zu den Folgen der Energiewende.+++ (Teil 2)

Mit wachsender Industrialisierung und Energieeinsatz wuchs der Wohlstand in Sangerhausen, das habe ich im Teil 1 dargestellt. Die Leute erlebten die Stadt als aufblühend, quirlig und lebendig. Diese Entwicklung wurde mit dem Strukturbruch „über Nacht“ abgebrochen und in eine Phase der Deindustrialisierung umgewandelt. Im Teil 2 möchte ich herausarbeiten, zu welchen Beziehungen die Umstellung auf ein CO2-freies Leben und Wirtschaften (Dekarbonisierung) führt.

+++Folgen der Energiewende für Sangerhausen. 7,2 neue Elektroautos täglich.+++

Wird die Energiewende (Umstellung von Kohle und Kernenergie auf Wind – und Fotovoltaik) nach den derzeit geltenden politischen Plänen durchgeführt, dann müssten täglich 7,2 Elektroautos in Mansfeld-Südharz verkauft werden und zwar Tag für Tag und das bis 2050. Das Statistische Landesamt weist per 1. Januar 2019 für Mansfeld Südharz 79.807 Pkw mit einem Benzin oder Dieselantrieb aus und zwischen dem 01.12.2020 bis 31.12.2050 verbleiben noch 10.956 Tage. CO2-frei zu leben und zu wirtschaften bedeutet, sich von Diesel- und Benzinautos radikal zu trennen und auf Elektroautos umzustellen.

Was heißt das? In Nachtzeiten, die zum Aufladen der Kfz-Batterien genutzt werden kann, steht deutlich weniger Stromenergie zur Verfügung, da die Sonne zu dieser Zeit nicht scheint. In Sangerhausen sind die nächtlichen Lade-Möglichkeiten für Elektroautos und die Nachfrage nach Ladestrom begrenzt. Somit verlagert sich diese Frage in die Tageszeiten und damit gleichzeitig aus den sechs Siedlungen der Stadt in die Kernstadt mit Beschäftigungs- und Einkaufsmöglichkeiten.

+++Die Grundstückspreise um die Ladepunkte werden steigen.+++

Profitable Lademöglichkeiten für Elektroautos müssen an Wohn-, Beschäftigungs- und Einkaufsstandorten Sangerhausen zur Verfügung stehen, so im Stadtzentrum um den Marktplatz, dem Bahnhof und dem ehemaligen Anger. Öffentliche Ladepunkte in den Siedlungen sind noch zu suchen. Das verändert die Angebotsseite städtischer Grundstücke dramatisch. Zuverlässige Aussagen darüber, wo genau die Nutzer zukünftiger Mobilität die Elektroautos aufladen werden, können heute nicht vorliegen. Feststellungen darüber, was die Umgestaltung der Netzinfrastruktur die Bürger kosten wird, lassen sich ebenfalls nicht machen. An einigen Stellen in Sangerhausen wurden bereits Ladesäulen aufgestellt, so auf dem Parkplatz am Markt, Bahnhof und Rosarium. Hinweise darauf, in welchem Umfang die genutzt werden, liegen nicht vor.

+++Die Betankung für einen Benziner dauert 2 Minuten, die für ein Elektroauto 4 Stunden.+++

Bekannte Tankstellen kommen weniger infrage, denn die Betreiber kalkulieren ihren kostspieligen Flächenbedarf aufgrund der Zeit, die für das Betanken von Fahrzeugen an ihren Tanksäulen benötigt wird. Die Füllung eines Diesels oder Benziner dauert 2-3 Minuten, die eines Elektroautos mindestens 4 Stunden. Für die Tankstellenbetreiber gilt, je kürzer die Tankzeiten sind, umso mehr Kunden werden in gegebener Zeit ihre Betankung abschließen und damit für mehr Umsatz sorgen. Anbieter von bisher bekannten Tankstellen werden also aus wirtschaftlichen Gründen keine Flächen für zeitaufwendige Elektrobetankung anbieten. Es wird zu einem dualen Betankungssystem kommen, zwischen denen ein heftiger Wettbewerb zu erwarten ist.

+++Die 14 Ortsteile werden sich selbst versorgen müssen.+++

Das Netz der Ladestationen in der Stadt Sangerhausen wird nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Die Haushalte in den 14 Ortsteilen sind davon ausgeschlossen und werden den teuren Weg der Selbstversorgung gehen müssen. Voran stehen der Kauf der Ladestation und die Erschließungskosten vom Stromnetz zur Station. Der Einblick in die derzeit auf dem Markt befindlichen Technologien zur Beladung von Kraftfahrzeugen mit Elektrizität ist beunruhigend. Ein Überblick bietet der folgende Link.

https://de.wikipedia.org/wiki/Ladestation_(Elektrofahrzeug)

Aus heutiger Sicht ist zu erkennen: Je nach heute verfügbarer Technologie entstehen nicht nur erhebliche Probleme mit dem Flächenbedarf im Stadtkern von Sangerhausen, sondern auch in den Plattenbausiedlungen. Die Versorgung der Ortsteile wird allein auf privaten Weg möglich sein. Auf die Eigentümer von Privatparkplätzen in den Dörfern kommt damit ein erheblicher Investitionsaufwand zu. Insgesamt muss Sangerhausen also mit einem beachtlichen Um- und Ausbau des städtischen Stromnetzes rechnen. Die Umbaumaßnahmen der Stadtwerke Sangerhausen werden alle Bürger teuer zu bezahlen haben.

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Nach meinen Erfahrungen bleiben mir als Techniker erhebliche Zweifel, ob die Umstellung auf Elektromobilität ein Segen für Sangerhausen sein kann. Warum eine Energiewende, wenn wir einen belastbaren Strommix aus fossilen Energien und Atomkraft haben? Der Strom für die Betankung von 79.000 Elektroautos steht ohnehin nicht zur Verfügung.

Die Frage ist aber, wollen wir das?

Für meinen Teil kann ich sagen, NEIN.

Andreas Gehlmann
MdL, Sprecher Energiepolitik

Quellen:

Fallstudie im Rahmen des Projekts „Stadtkarrieren in periherisierten Räumen“ (2009-2011), Fallstudien Sangerhausen

https://www.mansfeldsuedharz.de/datei/anzeigen/id/50790,1154/masterplan_strukturwandel_mansfeld_suedharz_v1.0.pdf

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