Eine Nachbetrachtung zum Beitrag der Mitteldeutschen Zeitung über die AfD-Kundgebung am 20. Mai 2020.
Die Mitteldeutsche Zeitung kommt an den „stillen Demonstrationen“ in Hettstedt und Sangerhausen nicht vorbei, auch nicht an der Kundgebung der AfD am 20. Mai unter dem Thema „Coronaverbote aufheben. Arbeitsplätze sichern.“ Am 22.05.2020 wurde in einem Artikel mit der Überschrift „Zwischen Fakten und Fiktion“ die Kundgebung und AfD-Sichtweisen zu den Corona-Verboten kommentiert. Die Wertungen fielen umfangreich aus, blieben aber tendenziös. Leider ist der Artikel hinter einer Bezahlschranke verborgen, so dass ich aus dem Originaltext zitieren muss.
+++Wie funktioniert Wissenschaft?+++
Der Beitrag erklärt, wie die Erkenntnisse über den Corona-Virus sich teilweise im Wochenrhythmus überholt haben. „Das, was gestern galt, könnte nächste Woche schon relativiert werden. Wenn nicht vom selben Wissenschaftler, dann von einem anderen. So funktioniert Wissenschaft, im ständigen Diskurs zwischen Thesen, Untersuchungen und Interpretationen derselben.“
Und genau so funktioniert Wissenschaft nicht. Wissenschaften benutzen Fakten, Daten, Zahlen, um daraus Gesetzmäßigkeiten abzuleiten, eben facts and figures, aber keine Gefühlsschwankungen, subjektive Interpretationen, Annahmen usw.. Wer wissenschaftlich arbeitet weiß, hier gelten Beweise, Fakten, aber keine Covid-Computer-Modelle, mathematische Modellierungen usw., deren handwerklicher Einsatz keinen Qualitätsaudit in der Wirtschaft überstehen würden.
Als Techniker habe ich mehrere Gas- und Dampfanlagen in Afrika und Naher Osten aufgebaut und in Betrieb gesetzt. Nur eine fachwissenschaftliche korrekte Anwendung der Vorgaben an Zahlen und Daten eines Schaltplanes oder Projektplanes ist der Schlüssel zum Erfolg. Ansonsten wären die Anlagen allen um die Ohren geflogen.
Funktioniert so Wissenschaft, im ständigen Diskurs zwischen Thesen, Untersuchungen und Interpretationen derselben? Nein, so arbeitet keine Wissenschaft, so funktionieren nur Politik und die Medien, aber beide haben mit Wissenschaft bekanntlich nichts zu tun.
+++Der Shutdown am 23.03.2020 wird begründet durch knapp 2.000 neue Coronafälle am Tag.+++
Der Beitrag in der Mitteldeutschen Zeitung versucht den Shutdown-Beschluss (Herunterfahren der Wirtschaft und des gesellschaftlichen Lebens) vom 23.03.2020 zu objektivieren und führt als Argument knapp 2.000 neue Coronafälle an.
Eine auf Fakten und Daten basierte Shutdownentscheidung hätte aber die sogenannte Reproduktionszahl ( R ) beachten müssen, die angibt, wie viele weitere Personen ein Infizierter ansteckt. Die Bundeskanzlerin wurde nicht müde mit der Behauptung, dass dieser Wert ein Entscheidungswert für die Politik sei.
Ein genauer Blick auf die Grafik 1 des Robert-Koch-Institutes zeigt aber, dass R schon drei Tage vor dem Shutdown auf unter 1 gesunken war und seitdem leicht unterhalb dieser Marke sich eingependelt hat. Dieser Fakt wurde in der Entscheidung über den Shutdown verdrängt und nicht beachtet.
+++Aber auch die Neuinfizierten bieten keine ausreichende Argumentation für den Shutdownbeschluss.+++
Aus der Grafik 2 ist ersichtbar, dass die Zahl der Neuinfizierten vom 2. März an deutlich ansteigt bis zum Höhepunkt um den 30. März herum, um dann bis zum 27. April fast ebenso deutlich zu fallen.
Diese Daten bilden das reale Infektionsgeschehen immer zeitversetzt ab, weil – so das RKI – es von der Infektion bis zur offiziellen Registrierung durchschnittlich 17 Tage dauert. Was heißt das? Das heißt die 2.000 Neuinfektionen bilden das Infektionsgeschehen am 13 März ab und zu diesem Zeitpunkt waren Großveranstaltungen bereits verboten (9. März). Schulschließungen (16. März) und der Shutdownbeschluss (23. März) folgten erst später. Die Daten des RKI belegen die Dynamik des typischen Epidemieverlaufes einer schnell ansteigenden und rasch abfallenden Kurve. Zu einer exponentiell anwachsenden Viruswelle kam es nicht. Der Shutdown war deshalb nicht erforderlich.
+++“Die Frage, wie man mit dem Wissen vom März hätte besser agieren können, beantwortete er nicht.“+++
Angesprochen ist in dem Beitrag der Mitteldeutschen Zeitung ein AfD-Redebeitrag, der angeblich offenlässt, wie die Regierung mit dem Wissen vom März hätte besser entscheiden können. Suggestiv ist die Frage schon, denn der Shutdown am 23.03.2020 ist nicht nach facts und figures entschieden worden, sondern auf Grund von Annahmen, Covid-Computer-Modell, deterministischen Modelle mit Zufallfaktor, Mikrosimulationsmodells usw.. Wenn politische Entscheidungen nach Annahmen getroffen werden, dann spielt das Handwerk eines Wissenschaftlers, wie Zahlen, Daten und Fakten nicht mehr die Rolle: „Wir fahren das Land runter, weil wir glauben, dass es richtig ist. Wissen tun wir es aber nicht.“
Dazu kamen die schrecklichen Bilder aus Italien mit massenhaft gestapelter Särge. Die Särge durften nicht abgeholt werden, weil die an einem Pandemie-Virus Verstorbene nicht beerdigt werden dürfen, sondern verbrannt werden müssen. Um bei den Fakten zu bleiben muss man wissen, dass die Zahl der in Italien selten genutzten Krematorien nicht ausreichte, um alle Verstorbenen zu verbrennen. Am Ende hat das Militär seine Lagerkapazität anbieten müssen. Schreckliche Bilder, die um die Welt gingen und den Shutdown in Deutschland emotional vorbereitet haben.
Anders formuliert, hier hätte nach Sachlage entschieden werden müssen – und das ist Teil meines Redebeitrages vom 20.05.2020 – nach einer auf Fakten basierten Risiko-Einschätzungen. Diese lagen nicht vor und das für die Bundesrepublik, das Land Sachsen-Anhalt und für Mansfeld-Südharz. Die Shutdown-Beschluss war rechtlich unverhältnismäßig und aus Sicht der Wissenschaft nicht auf belastbaren Daten begründet, er war eine „Bauchentscheidung.“
Andreas Gehlmann
MdL, Fraktionsvorsitzender Stadtrat Sangerhausen