+++Anfang vom Ende.+++

Ein Kommentar zur Protestaktion #allesdichtmachen.de.


Die älteren Facebook-User werden sich erinnern, denn vor 45 Jahren reflektierte eine Gruppe von Künstlern sehr feinsinnig auf eine verfehlte Kulturpolitik des SED-Regimes und leitete den Anfang vom Ende der DDR ein. Keineswegs will ich den Rechtsstaat der BRD mit dem Stasiregime der DDR gleichsetzen, aber eine große Ähnlichkeit mit der Künstleraktion allesdichtmachen.de springt regelrecht ins Auge.


+++Berlin, 16. November 1976. Biermann wird aus der DDR ausgewiesen.+++
Im November 1976 wird Wolf Biermann, ein unter der arbeitenden Bevölkerung damals relativ unbekannter Liedermacher, aus der DDR ausgewiesen. Während einer Konzertreise durch die BRD wurde ihm die Staatsbürgerschaft entzogen. Damit endete ein seit Jahren andauernder Clinch zwischen Biermann und dem SED-Regime.
Das interessante daran ist, dass die Ausbürgerung eine riesige Protestwelle auslöste. 13 bekannte DDR-Künstler und Schriftsteller wie Stefan Hermlin, Stefan Heym und Heiner Müller protestierte in einem offenen Brief an die DDR-Führung.


Anschließend unterschreiben den Aufruf über 100 weitere Personen aus Kultur und Kunst. Einer von ihnen war der 1978 ausgereiste Manfred Krug. Damit wurde der Anfang vom Ende der DDR eingeleitet. Ein Prozess, der noch 13 Jahre auf sich warten ließ.


+++Berlin, 23. April 2021. Über 50 Schauspieler leisten Protest gegen die Corona-Verbotspolitik.+++
Mehr als 50 bekannte deutsche Film- und Fernsehschauspieler haben unter dem Schlagwort #allesdichtmachen in kurzen Video-Statements ironische und sarkastische Kritik an den Corona-Maßnahmen der Bundesregierung und der Politik des #lockdownfürimmer geübt. Das Aufbegehren ist ein deutliches Signal, dass die autoritäre Corona-Politik der Bundesregierung den Bogen endgültig überspannt hat.


Damit reagieren Vertreter der Kunstszene, die finanziell auf der „Sonnenseite“ stehen, aber für alle Künstler Partei beziehen, auch jene, die durch die stupide Lockdown-Politik in Kunst und Kultur um ihr tägliches Einkommen bangen müssen. Die Form der Kritik ist die Satire, mit dem Stilmittel rhetorischer Übertreibung, aber inhaltlich ist die Kritik politischer Natur.


Hier eine kleine Auswahl:
Jan-Josef Liefers:


https://www.youtube.com/watch?v=Wr7W-jowmqI

Martin Brambach:


https://www.youtube.com/watch?v=ddoIdiWmC20

Nina Gummich:

https://www.youtube.com/watch?v=Z8NDtEh3QuE


So empfiehlt beispielsweise Ulrich Tukur der Regierung:

„Schließen Sie ausnahmslos jede menschliche Wirkungsstätte und jeden Handelsplatz, auch alle Supermärkte. Sind wir erst verhungert, so entziehen wir auch dem Virus samt seiner hinterhältigen Mutantenbaggage die Lebensgrundlage.“


https://youtu.be/nLIdcd5AYls?t=50


+++Künstler lösen sich vom Mainstream und beziehen Partei.+++
In einer Gesellschaft, in der Parteien das Primat für sich beanspruchen, kann keiner unparteiisch sein. Ihre Stimme haben als erste erhoben Uwe Steimle, Nena und Katerina Witt. Ich habe darüber auch berichtet.
Viele der Film- und Fernsehdarsteller, die in kurzen Filmen legitime Kritik an der Regierungspolitik üben, haben in der Vergangenheit in öffentlichen Äußerungen stets den etablierten Mainstream und den herrschenden Zeitgeist unterstützt. Dass selbst solch treue Gefolgsleute von der Fahne gehen, ist ein Symptom der gesellschaftlichen Zerrüttung aber auch ein Beweis für deren Mut und politische Standfestigkeit.


Der Protest richtet sich auch gegen die schwer erträgliche Schwarz-Weiß-Propaganda der etablierten Politik und Medien, die in ihrer Arroganz und Selbstgerechtigkeit die Bürger geistig entmündigen und am Gängelband führen und die Gesellschaft tief gespalten haben.


Wer die Corona-Maßnahmen in Frage stellt, soll ein Menschenfeind sein, der Tod und Leid zu verantworten hat, und wer die Regierung kritisiert, soll vom öffentlich-rechtlichen Staatsfunk keine Aufträge mehr bekommen. Die Künstler sprechen den Leuten aus der Seele und stärken das Selbstdenken der Bürger.
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Nach 1976 wechselten einer nach den anderen Protestlern in den Westen, einzelne haben den Druck der Genossen nicht widerstanden und ihre Unterschrift zurückzogen. Der Bildhauer Fritz Cremer war einer von denen und streute Asche auf sein Haupt.
Heute ist es Heike Makatsch, die angeblich nicht gewusst haben soll, wie man sich in Merkeldeutschland zu verhalten hat.


Was bleiben wird ist der politische Inhalt des Protestes, Flagge gezeigt zu haben, aus dem grauen Schatten der Mehrheit herausgesprungen zu sein, politisch seinen Standpunkt vermittelt zu haben.


Dafür verdienen die Künstlergruppen damals wie heute meinen Respekt.

Andreas Gehlmann
MdL, Fraktionsvorsitzender Stadtrat Sangerhausen

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